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Großes Schaulaufen von Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Medien war am Mittwoch in der Sozialstation St. Kilian in MELLRICHSTADT. Der Grund: die Mellrichstädter Einrichtung ist die erste Seniorentagespflege und das erste Pflegeübungszentrum (PÜZ) in Bayern, das mit wissenschaftlicher Begleitung die Spielekonsole „memoreBox“ ausprobiert. Was es damit auf sich hat, wurde in einer Pressekonferenz theoretisch und praktisch erklärt.

Caritas-Kreisgeschäftsführerin Angelika Ochs begrüßte zu Beginn ihre Gäste. Es sei eine „große Ehre und Freude“, dass die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, anwesend sei. Man hätte die Veranstaltung gerne im PÜZ durchgeführt, doch dieses sei belegt – was natürlich gut sei.

Stefani Meyer-Maricevic, Pressesprecherin der Barmer, fungierte als Moderatorin und stellte den geplanten Ablauf der Konferenz vor. Professor Dr. Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern, äußerte ihre Freude, dass Staatsministerin Bär die Schirmherrschaft übernommen hatte. Alle bräuchten eine Balance zwischen Aktivität und Ruhe. Der natürliche Spieltrieb der Menschen könne durch das richtige Angebot aktiviert werden. Die Prävention und die Gesundheitserhaltung wolle die Barmer in den Fokus stellen. Die Barmer finanziert die begleitende Forschung und übernimmt die Mietkosten für die „memoreBox“. Für Senioren biete es sich an, digitale Angebote zu nutzen. Nicht jedes Videospiel auf dem Markt sei für Senioren geeignet, denn sie brauchen ganz bestimmte Anforderungen, so Wöhler. Man wolle eine Entlastung und Unterstützung der Pflegekräfte im Alltag: „Wir sind zuversichtlich, dass hochwertige digitale Angebote einen echten Mehrwert für die immer älter werdende Gesellschaft bieten.“

Staatsministerin Dorothee Bär dankte für das zahlreiche Interesse und lobte Angelika Ochs, die immer mehr mache, als sie rede, immer einen Schritt weiter gehe, als sie müsse. Sie freute sich, dass Frank Vetter (3. Bürgermeister Mellrichstadt) und Peter Suckfüll (stellv. Landrat) anwesend waren. Dies zeige, dass alle politischen Ebenen an einem Strang ziehen, so Bär. Gaming beschäftige sie schon viele Jahre und sie verbringe viel Zeit mit Senioren. Wichtig sei ihr, den Spaß in den Vordergrund zu rücken und Gutes für die Gesundheit zu tun.

Man wolle ein längeres selbstbestimmtes Leben im Alter und die Technologie den Bürgern im ländlichen Raum zu Gute kommen lassen. Vielleicht bekommen die Omas und Opas mehr Besuch von ihren Enkeln, wenn man „mit Opa ‘ne Runde zocken“ kann, blickte Bär voraus. Auch könnten mit Schulklassen, die zu Besuch kommen, Turniere veranstaltet werden, es gebe viele Möglichkeiten. „In Mellrichstadt findet die Zukunft schon statt“, so die Staatsministerin abschließend.

Manouchehr Shamsrizi ist Co-Founder und CEO der Firma RetroBrain, die die „memoreBox“ entwickelt hat. Er wohnt in Hamburg und begrüßte die Gäste mit einem kultigen „Moin, moin“. Wenn man nur in den urbanen Orten bleibe, erreiche man nicht, was man erreichen wolle. Es handele sich um ein bayerisches Projekt, das bereits 2014 vom Bund gefördert wurde. Einer der ersten Partner sei Caritas gewesen. Wie Shamsrizi erläuterte, könne man die Spiele nicht verlieren. Die Frustrationsvermeidung sei eines der leitenden Prinzipien gewesen. Man habe viele Altenpflegeeinrichtungen besucht und die Spielekonsole in der Praxis ausprobiert. Die Idee sei nicht neu, er zitierte Friedrich Schiller: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Dies habe man digital umgesetzt. Menschen würden nicht aufhören zu spielen, weil sie älter werden, sondern sie würden in dem Moment altern, wo sie aufhören zu spielen, so Shamsrizi.

Er gab die Anekdote zum Besten, als ein hoch renommierter Professor dem Team mit ca. 30 Leuten über die Phasen der Demenz berichtete und er von einem 20-jährigen Spieleentwickler unterbrochen wurde, der äußerte, dass den Professor sehr defizitorientiert sei. Ihn jedoch interessiere, was jemand kann, und nicht, was jemand nicht kann. Das Schöne an PC-Spielen im Vergleich zu anderen Medien sei, dass sich diese anpassen können. Es gebe ein regelbasiertes System: Je mehr jemand kann, umso mehr wird er gefordert, erklärte der Fachmann. Abschließend meinte Shamsrizi, dass Weiterentwicklungen zu erwarten seien.

Angelika Ochs, die Caritas-Kreisgeschäftsführerin, dankte für die einführenden Worte. Man sei gerne dabei, es sei ein tolles Projekt. Das Motto bei kleinen Einrichtungen sei: „Wir können und wir machen!“ Sie sei froh, dass die „memoreBox“ (übrigens ein zertifiziertes medizinisches Produkt) hier eingesetzt werden kann. Sie passe sehr gut ins Programm und sei eine ideale Ergänzung, gebe eine „Möglichkeit der Entwicklung“ und „Hilfe zur Selbsthilfe“. Der Aufwand für das Personal werde sehr gerne investiert.

Der Projektmanager der Firma RetroBrain, Jens Brandis, stellte die Spielekonsole kurz vor. Dann ging es zum praktischen Teil über. Zunächst durfte Dorothee Bär das Spiel „Briefträger“ ausprobieren, bei dem die Bewegungspräzision und Koordination der Arme trainiert werden. Auf dem Fernsehbildschirm war ein Postbote auf einem Fahrrad zu sehen und es galt, mit Armbewegungen Zeitungen in die Briefkästen zu werfen. Die Bewegungen werden von einer Spezialkamera erfasst und das Männchen auf dem Bildschirm reagiert entsprechend.

Eine Seniorin präsentierte das „Kegeln“, mit dem die Hand-Auge-Koordination sowie die Arme trainiert werden. Das Spielgeschehen wurde von der „memoreBox“ mit motivierenden und humorvollen Sätzen kommentiert, z. B. als drei Kegel umgeschmissen wurden: „Alle guten Dinge sind drei. In diesem Fall sind mehr aber besser!“ Eine zweite Seniorin präsentierte das „Motorradfahren“, was die mentale Leistungsfähigkeit trainiert. Durch Gewichtsverlagerung der Seniorin nach links und rechts fuhr der Motorradfahrer um andere Fahrzeuge auf einer Straße herum.

Jens Brandis erklärte noch, dass bundesweit insgesamt 102 teilnehmende Einrichtungen mit jeweils zehn Senioren an dem Präventionsangebot in der zweiten Phase wissenschaftlich begleitet werden. Dabei bilden fünf Senioren die aktive Gruppe. Sie trainieren drei Mal pro Woche für eine Stunde. Außerdem werden an acht Erhebungstagen Fragebögen ausgefüllt. Die passive Gruppe, die ebenfalls aus fünf Personen besteht, füllt nur die Fragebögen aus, ohne an der „memoreBox“ aktiv zu werden. Anschließend findet ein Vergleich statt, um herauszufinden, wie sich u. a. die Gesundheit, die motorischen Fähigkeiten, die Kommunikation und die Interaktion entwickeln.

Auch der stellv. Landrat Peter Suckfüll und 3. Bürgermeister Frank Vetter ließen es sich nicht nehmen, die neue Spielekonsole einmal auszuprobieren und waren mit Freude bei der Sache. „Der Landkreis freut sich, dass die Digitalisierung jetzt mit dem Pilotprojekt ‚memoreBox‘ in Rhön-Grabfeld voranschreitet“, so Suckfüll.

Quelle: David Hauck - Streutal-Journal

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