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„Grenzen setzen“ ist ein Klassiker geblieben – Bad Neustadt (new) Eine Einrichtung, die im Landkreis Rhön-Grabfeld viel Positives zum Wohl der Kinder bewirkt hat, feiert ihren 50. Geburtstag: die Erziehungsberatungsstelle des Caritasverbands. Bevor im Herbst am 20. Oktober der öffentliche Festakt von einem Fachtag zum Thema „Verflixte Konflikte“ begleitet wird, möchte Markus Till darstellen, aus welchen Anfängen sich die Erziehungsberatungsstelle entwickelt hat, die er seit 2013 leitet.

Der erste Schritt, der 1967 erfolgte, sah folgendermaßen aus: Vom Caritasverband Würzburg wurde eine Psychologin an ein oder zwei Tagen in der Woche nach Bad Neustadt geschickt. Doch die Nachfrage wurde schnell so groß, dass dieses Angebot bald nicht mehr ausreichte und 1973 der Entschluss fiel, eine volle Beratungsstelle mit drei Planstellen einzurichten. 1993 wurde die sozialpädagogische Familienhilfe verwaltungstechnisch angeschlossen, zwei Jahre später kam eine halbe Stelle für den Bereich Teilleistungsstörungen (zum Beispiel Legasthenie) hinzu.

Während in der ersten Zeit in 100 bis 150 Fällen pro Jahr Hilfestellung bei der Erziehung geleistet wurde, lag das Arbeitsaufkommen in Spitzenjahren mit über 700 Fällen extrem hoch. In den letzten zehn Jahren hat sich es bei 500 bis 550 Fällen eingependelt. Beteiligt daran sind rund 1200 Menschen, zu denen neben den betroffenen Kindern die Familienmitglieder und die kooperierenden Fachkräfte gehören.

Gaben die Jungen früher häufiger Anlass zu Problemen, hat sich das mittlerweile zu einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis hin verschoben. Im Grundschulalter liegt der Schwerpunkt zwar weiterhin bei den Jungen, aber wenn’s auf die Pubertät zugeht, überwiegen die Mädchen, die dann auch eher bereit sind, Hilfe anzunehmen.

Wenn vor Jahrzehnten der Kontakt zur Erziehungsberatung gesucht wurde, lag meist ein spezifisches Problem vor, beispielsweise das Stottern, mit dem man heute zum Logopäden geht. Die Schwierigkeiten der Gegenwart liegen auf einem viel breiteren Feld, Familienthemen (unter anderem Scheidung) bilden seit 20 Jahren einen Schwerpunkt. Defizite im sozial-emotionalen Bereich liegen etwa bei der Hälfte der Betroffenen vor.

Viele Eltern melden sich erst, wenn’s wirklich brennt, hat die Praxis gezeigt. Deshalb erhalten sie nach Möglichkeit innerhalb von zwei Wochen einen Beratungstermin. Es kam aber auch schon vor, dass sich ein Vater über ein Jahr nicht traute zum Hörer zu greifen. Als er diesen Schritt endlich geschafft hatte, war es keine Frage, dass er bereits am nächsten Tag sein Herz ausschütten konnte.

Manchmal sind es nur ein paar Gespräche, die gebraucht werden, um den größten Druck abzubauen. Nach ein wenig Abstand wird dann aber häufig der erneute Kontakt zur Stabilisierung gesucht. Statistisch gesehen nimmt etwa die Hälfte ein bis fünf Beratungen in Anspruch, 30 Prozent liegen bei zehn Beratungen. Der Verdacht auf sexuellen Missbrauch kommt zwei- bis sechsmal im Jahr zur Sprache.

Nach wie vor führt die Erziehungsberatungsstelle präventive Elterninformationen durch, allerdings spürt sie für diesen Bereich auch die Internet-Konkurrenz. In diesem Zusammenhang schmunzelt Markus Till ein wenig, wenn er an den Kampf seines Vorgängers Bernhard Roth in den Achtzigerjahren gegen übermäßigen Video-Konsum denkt. Heute hat die Versuchung den Namen Computer, das Problem ist das gleiche geblieben. Nicht verändert hat sich in der Erziehungsberatung auch ein anderer „Klassiker“: Grenzen setzen.

Zum Team der Erziehungsberatungsstelle gehören aktuell neben ihrem Leiter, dem Diplom-Pädagogen Markus Till, die Psychologin Pia Junginger, Sozialpädagogin Sylvia Pflaugner und Helga Leifer, die momentan krankheitsbedingt durch Silvia Baumbach und Viktoria Perleth vertreten wird. Gemeinsam besetzen diese Fachkräfte drei Planstellen. Viktoria Perleth ist darüber hinaus für den Bereich der Teilleistungsstörungen zuständig, allerdings nur noch bis nächste Woche, dann übernimmt Sozialpädagogin Katja Kaufmann diese Aufgabe.

© Karin Nerche-Wolf, Mainpost Mittwoch, 29.03.2017

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